Kein Auswechseln des Kündigungsgrundes im Kündigungsschutzprozess

LAG Düsseldorf, Urteil vom 27.6.2015, 7 Sa 1243/14 –

Der Arbeitgeber darf in einem Kündigungsschutzprozess zwar Kündigungsgründe nachschieben, den Kündigungsgrund jedoch nicht derart auswechseln, dass die Kündigung hierdurch einen gänzlich anderen Charakter erhält. In diesem Fall muss er eine neue Kündigung aussprechen.

Die Entscheidung

Die klagende Arbeitnehmerin ist bei der Beklagten, einem Unternehmen mit 20 Mitarbeitern, seit vielen Jahren als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Gegenüber der Mitarbeiterin wurde die außerordentliche fristlose Kündigung erklärt. Der Kündigung waren zwei Gespräche über eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen, die aber erfolglos blieben. Im Anschluss an die diese Gespräche soll die Mitarbeiterin sowohl unentschuldigt gefehlt als auch unbefugt Personaldaten von einem Computer des Unternehmens auf eine mobile Festplatte ausgelagert und damit dem Unternehmen Schaden zugefügt haben.

Im darauf folgenden Kündigungsschutzprozess begründete die Beklagte die außerordentliche fristlose Kündigung mit den angeblichen Pflichtverletzungen der Klägerin. Zusätzlich trug die Beklagte vor, die ausgesprochene Kündigung sei aber jedenfalls als ordentliche fristgemäße Kündigung aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt. Und zwar sei der Beschäftigungsbedarf der Klägerin aufgrund einer teilweisen Fremdvergabe ihrer Tätigkeiten und Neuverteilung der Restarbeiten an die Geschäftsführung und eine andere Mitarbeiterin entfallen.

Das Arbeitsgericht in erster Instanz hat der Klage stattgegeben und die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Die von der Klägerin in Abrede gestellten arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen konnte die Beklagte nicht zur Überzeugung des Gerichts beweisen. Über die ferner behaupteten und von der Klägerin ebenfalls bestrittenen betriebsbedingten Gründe hat das Arbeitsgericht keinen Beweis erhoben, da – so das Gericht – die Beklagte nicht zur Sozialauswahl vorgetragen habe.

Die Berufung der Beklagten hat das LAG Düsseldorf als unbegründet zurückgewiesen. Während es hinsichtlich der behaupteten Pflichtverletzungen im Wesentlichen den Ausführungen des Arbeitsgerichts folgte, begründete es die Unwirksamkeit einer hilfsweise ordentlichen fristgemäßen Kündigung – und hier liegt auch das Beachtenswerte an der Entscheidung – mit einem Verbot des Auswechselns von Kündigungsgründen im Prozess. Die Beklagte habe – so das LAG – die Kündigung nach ihrem eigenen Vortrag als verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen. Erst im Prozess habe die Beklagte auch den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit behauptet und somit einen betriebsbedingten Kündigungsgrund vorgetragen. Zwar dürfe der Arbeitgeber Kündigungsgründe, die im Zeitpunkt der Kündigung vorgelegen haben im Verlauf eines Kündigungsschutzprozesses zur Rechtfertigung einer Kündigung nachschieben. Er dürfe aber nicht solche Kündigungsgründe nachschieben, durch die die Kündigung einen völlig anderen Charakter erhält, wie wenn – wie hier geschehen – aus einer ursprünglich verhaltensbedingten Kündigung eine betriebsbedingte Kündigung wird. Ein solcher Komplett-Austausch des Kündigungsgrundes sei nicht zulässig, so das LAG Düsseldorf in seiner Urteilsbegründung.

Bedeutung für die Praxis

Dass der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess Kündigungsgründe nachschieben darf, die im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bereits vorhanden waren, ist langjährige und unstreitige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der Instanzengerichte. So können beispielsweise weitere Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers, die vielleicht erst nach Ausspruch der Kündigung bekannt geworden sind, in den Prozess zur Rechtfertigung der Kündigung eingeführt werden.

Die Frage aber, ob der Arbeitgeber im Prozess auch einen solchen Kündigungsgrund nachschieben darf, der beispielsweise aus einer verhaltensbedingten Kündigung eine betriebsbedingte oder aber eine personenbedingte Kündigung macht, oder ob der Arbeitgeber völlig neue und mit den ursprünglich behaupteten Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers nicht im Zusammenhang stehende Verfehlungen des Arbeitnehmers vortragen darf, hat das Bundesarbeitsgericht bis heute noch nicht entschieden sondern stets ausdrücklich offengelassen (vgl. BAG, Urteil vom 18. 1. 1980 – 7 AZR 260/78; Urteil vom 6.9.2007 – 2 AZR 264/06). Die Instanzengerichte lehnen eine derartige Auswechslung des Kündigungsgrundes teilweise ab (vgl. LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 1.6.2006 – 1 Sa 110/06; a.A. aber LAG Düsseldorf, Urteil vom 10.7.1997, 6 Sa 430/97).

Zwar spricht nach unserer Auffassung nichts dagegen, die Rechtfertigung der Kündigung im Laufe des Prozesses auf eine völlig neue Tatsachengrundlage zu stellen, sofern die vorgetragenen Tatsachen im Zeitpunkt der Kündigung tatsächlich vorgelegen haben. Denn es ist nicht ersichtlich, warum zwar sachverwandte Kündigungsgründe nachgeschoben werden dürfen, andersartige jedoch nicht.

Aber: Vor dem Hintergrund einer fehlenden präjudizierenden Entscheidung des BAG und der Uneinigkeit der Instanzengerichte in dieser Frage kann nur angeraten werden, zusammen mit einer außerordentlichen fristlosen verhaltensbedingten Kündigung, hilfsweise zugleich auch eine ordentliche fristgemäße Kündigung auszusprechen und dies ausdrücklich aus betriebsbedingten Gründen, sofern neben den Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers auch betriebsbedingte Gründe, die eine Kündigung rechtfertigen können, vorliegen.