Sensibles Arbeitsmaterial nicht wegzuschließen, kann verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen

– Sächsisches LAG v. 17.4.2022 – 9 Sa 250/21 –

Das Befolgen des rechtmäßig ausgeübten Direktionsrechts, zu dem auch Arbeitsanweisungen zum Datenschutz gehören, ist Hauptleistungspflicht.

Die Entscheidung

Die zum Kündigungszeitpunkt 51 Jahre alte Arbeitnehmerin und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin ist seit März 2016 bei der Beklagten in Teilzeit als Kreditsachbearbeiterin Baufinanzierung Schwerpunkt Bewertung beschäftigt. Bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als zehn Vollzeitmitarbeiter beschäftigt, besteht ein Betriebsrat. Weiterhin besteht eine Arbeitsanweisung „Procedure zur Informationssicherheit am Arbeitsplatz und Clean Desk Policy“ in der es u.a. heißt:
„Es ist dafür Sorge zu tragen, dass schützenswerte oder geheime Informationen – egal ob in papierhafter Form oder auf dem Bildschirm – nicht durch Dritte eingesehen werden können.
Wenn der Arbeitsplatz verlassen wird oder unbeaufsichtigt ist:
Sind schützenswerte Akten, Datenträger oder Hardware mit Informationen ordnungsgemäß wegzuschließen oder ordnungsgemäß zu entsorgen. (…)“
Weil die Klägerin wiederholt gegen die Richtlinien verstoßen hatte, erhielt sie mehrere Abmahnungen. Im November 2020 fand bei der Beklagten ein Umzug statt. Die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt erkrankt. Auf Anfrage stimmte die Klägerin zu, dass ihr Gruppenleiter im Beisein eines Betriebsratsmitglieds sich um ihren Schreibtisch kümmerte. Dabei wurde festgestellt, dass in dem unverschlossenen Schreibtisch der Klägerin mehrere Markt- und Beleihungswertermittlungen und Prüfbögen der Qualitätssicherung mit den jeweiligen Kundendaten abgelegt waren.
Am 11.12.2020 sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin die streitgegenständliche ordentliche Kündigung zum 28.02.2021 aus. Die erforderliche Betriebsratsanhörung war zuvor ordnungsgemäß durchgeführt worden. Das Arbeitsgericht hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben. Die bei der verhaltensbedingten Kündigung zu beachtende Prognose sei nicht negativ zu bewerten, die Pflichtverletzung sei nicht erheblich und die Beklagte habe nicht davon ausgehen dürfen, dass eine Kündigungsandrohung nicht zu einer Änderung des Verhaltens geführt haben würde. Auf die Berufung der Beklagten hat das LAG die Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen und sieht die Kündigung als gem. § 1 Abs. 2 KSchG als sozial gerechtfertigt an, weil ein im Verhalten der Klägerin liegender Grund vorliegt, der eine negative Zukunftsprognose rechtfertigt und die Interessenabwägung hier zugunsten der Beklagten ausfällt.
Unter Beachtung der vorhergehenden Abmahnungen handelte es sich insgesamt um erhebliche Pflichtverletzungen. Die Beklagte war nicht verpflichtet, erst noch eine weitere Abmahnung auszusprechen. Eine Pflichtverletzung lag in Form der Nichteinhaltung der Arbeitsanweisung „Clean desk policy“ unstreitig vor. Die Klägerin hatte entgegen der Anweisung Unterlagen mit sensiblen Daten unverschlossen zu einem Zeitpunkt im Schreibtisch aufbewahrt, zu dem sie selbst nicht im Büro anwesend war. Unstreitig war ihr diese Anweisung hinreichend bekannt.

Bedeutung für die Praxis

Datenschutzrechtliche Weisungen, meist in Geschäftsordnungen oder anderen Dienstanweisungen geregelt, sollten von Arbeitnehmern nicht auf die „leichte Schulter“, sondern ernst genommen werden. Ihre Missachtung ist keine Bagatelle und kann – wie hier – zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen, auch ohne, dass es zu einem Schaden für den Arbeitgeber gekommen sein muss. Im Falle eines durch die Missachtung des angewiesenen Datenschutzes entstandenen Schadens dürfte – je nach Schwere der Auswirkung – im Einzelfall sogar eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt sein.