Das Bundesarbeitsgericht spricht einem Arbeitnehmer Schadensersatz wegen unterbliebener Zielvereinbarung zu

– Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.12.2020 – 8 AZR 149/20 –

Hängt die Zahlung einer variablen Vergütung arbeitsvertraglich von der Erfüllung zu vereinbarender Ziele ab, so ist der Arbeitgeber zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 100 % der Zusatzvergütung verpflichtet, wenn eine Zielvereinbarung nicht zustande kommt. Eine Kürzung wegen Mitverschuldens des Arbeitnehmers kommt in Betracht.

Die Entscheidung

Der Kläger war bei der Beklagten vom 1.3.2016 bis zum 31.5.2017 als „Head of Operations“ beschäftigt. Die Arbeitsvertragsparteien hatten im Arbeitsvertrag eine zusätzliche variable Vergütung von bis zu 25 Prozent des Festgehalts vereinbart. „Die Bestimmungen über die Voraussetzungen, die Höhe und die Auszahlung der erfolgsabhängigen variablen Vergütung (Bonus) werden gesondert geregelt“, heißt es im Arbeitsvertrag weiter. Irgendwelche Regelungen erfolgten aber weder für 2016 noch für 2017. Der Arbeitgeber blieb hier schlicht untätig.

Der Kläger beanspruchte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Schadensersatz in Höhe der Boni für die Kalenderjahre 2016 und 2017. Das LAG versagte dem Kläger noch einen Zahlungsanspruch. Es legte die Klausel im Arbeitsvertrag als einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers nach § 315 BGB aus. Dies und nicht etwa einen Zahlungsanspruch hätte der Kläger geltend machen und einklagen müssen. Die Revision des Klägers hiergegen vor dem BAG hatte erfolgt. Das BAG sprach dem Kläger für die Zielperioden 2016 und 2017 zeitanteilig den Bonus zu. Allerdings um 10 Prozent gekürzt wegen eines Mitverschuldens des Arbeitnehmers am Nichtzustandekommen einer Zielvereinbarung.

Das BAG legte die Klausel im Arbeitsvertrag – anders als das LAG – dahingehend aus, dass die weiteren Voraussetzungen der variablen Vergütung einvernehmlich geregelt, also vereinbart und nicht etwa vom Arbeitgeber nur einseitig im Wege eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts vorgegeben werden sollten. Ferner sieht es die Initiativlast zur Herbeiführung einer solchen Zielvereinbarung – sofern nichts Abweichendes geregelt ist – im Wesentlichen beim Arbeitgeber. Nach Ablauf der jeweiligen Zielperiode tritt insoweit Unmöglichkeit ein und der Arbeitgeber schuldet daher Schadensersatz (§§ 280, 283 BGB), wenn eine Zielvereinbarung schlicht aus Untätigkeit bis dahin nicht zustande kommt. Für die Bemessung des Schadensersatzes geht das BAG in seinem Urteil vom zugesagten Maximal-Bonus aus und unterstellt eine 100-prozentige Zielerreichung. Den Schadensersatz kürzt das BAG schließlich wegen Mitverschuldens (§ 254 BGB) des Arbeitnehmers um 10 Prozent, da auch er völlig untätig geblieben war und sich nicht um den Abschluss einer Zielvereinbarung bemüht hatte.

Bedeutung für die Praxis

Erneut straft das BAG einen Arbeitgeber ab, der im Arbeitsvertrag eine zusätzliche variable Vergütung in Aussicht stellt, anschließend mit dem Arbeitnehmer aber keine Ziele vereinbart.

Neu an dieser Entscheidung ist zum einen die Auslegung der hier konkret im Streit stehenden Bonus-Klausel durch das BAG als Verpflichtung des Arbeitgebers zum Abschluss einer Zielvereinbarung. Ebenso klarstellend ist die Kürzungsquote für den Schadensersatzanspruch von (nur) 10 Prozent bei völliger Untätigkeit auch des Arbeitnehmers.

Für Arbeitgeber ist diese Entscheidung erneut ein Weckruf, den Zusagen im Arbeitsvertrag im ureigenen Interesse Taten folgen zu lassen und auf eine Zielvereinbarung mit dem Arbeitnehmer tatsächlich hinzuwirken. Der Verweis im Arbeitsvertrag auf „weitere Bestimmungen“, die die Voraussetzungen des Bonus-Anspruchs konkretisieren sollen, schiebt den Bonus-Anspruch des Arbeitnehmers nicht auf die lange Bank. Vielmehr mutiert die unterlassene Zielvereinbarung schlicht mit Ablauf der Zielperiode zum Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers. Dieser kann sich bei Untätigkeit seines Arbeitgebers also zunächst entspannt zurücklehnen, wenn er eine Kürzung um 10 Prozent hinzunehmen bereit ist. Nach Ablauf der Zielperiode muss er dann aber den Bonus-Anspruch als Schadensersatzanspruch rechtzeitig geltend machen. Auf wirksame Ausschlussklauseln im Arbeitsvertrag sollte hierbei geachtet werden.