Rechtsmissbräuchliche Kettenbefristung

LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 04.02.2015 – 15 Sa 1947/14 –

Die Beschäftigung auf Basis von 10 befristeten Verträgen (sog. Kettenbefristung) im Zeitraum von 6 Jahren und 8 Monaten rechtfertigt unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Annahme, dass der letzte Vertrag in rechtsmissbräuchlicher Weise befristet wurde.

Die Entscheidung

Der Kläger war bei dem beklagten Bundesland über einen Zeitraum von 6 Jahren und 8 Monaten auf der Basis von 10 befristeten Verträgen in verschiedenen Straßenmeistereien durchgängig als Straßenwärter beschäftigt. Im letzten befristeten Arbeitsvertrag lautete die Tätigkeitsbeschreibung: „zur Unterstützung bei der Durchführung des Winterdienstes“. Der Kläger wehrte sich gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses aufgrund der Befristung und machte geltend, bei dem Arbeitgeber bestünde durchgängig im ganzen Jahr ein Beschäftigungsbedarf. Das beklagte Land berief sich hingegen auf saisonalen Mehrbedarf als Sachgrund für die letzte Befristung.

Das LAG Berlin-Brandenburg gab – wie auch bereits die erste Instanz – dem klagenden Arbeitnehmer Recht und erachtete die Kettenbefristung als rechtsmissbräuchlich. Zur Begründung führten die Landesrichter an, dass sowohl die Anzahl der befristeten Verträge als auch die Dauer der ununterbrochenen Beschäftigungszeit ganz erheblich die Schwelle zur missbräuchlichen Gestaltung überschreiten. Das beklagte Land könne sich hier auch nicht auf die Grundsätze eines Saisonbetriebs berufen. Zwar bestehe im Bereich des Landesbetriebes Straßenwesen in den Wintermonaten angesichts der ausgedünnten Personaldecke sicherlich ein erhöhter Beschäftigungsbedarf, allerdings benötige das beklagte Land durchgängig auch in den Sommermonaten über das Stammpersonal hinaus zusätzliche Arbeitskräfte. Dass auch für die Zukunft ein erhöhter Beschäftigungsbedarf bestehe, sei auch durch die erneuten Stellenausschreibungen belegt. Auch wenn das beklagte Land nicht zur Vorhaltung einer dauerhaften Personalreserve verpflichtet sei, war die hier gewählte Vertragsgestaltung nach Auffassung der Landesrichter wegen der langfristigen ununterbrochenen Tätigkeit unter Zuhilfenahme von 10 befristeten Arbeitsverträgen gegenüber dem Kläger als rechtsmissbräuchlich zu werten.

Bedeutung für die Praxis

Die aktuelle Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg zeigt erneut, dass Arbeitgeber bei einer sog. Kettenbefristung vorsichtig sein und ein besonderes Augenmerk auf die ordnungsgemäße Gestaltung legen sollten. Denn auch wenn ein Sachgrund gegeben ist, kann die Befristung wegen rechtsmissbräuchlicher Gestaltung unwirksam sein, wie die vorliegende Entscheidung zeigt. Von besonderer Bedeutung für die Beurteilung eines möglichen Rechtsmissbrauchs sind die Gesamtdauer der befristeten Verträge, die Anzahl der Vertragsverlängerungen sowie das Vorliegen einer (un-)unterbrochenen Beschäftigung. Arbeitgebern ist daher – soweit möglich – zu längeren zeitlichen Unterbrechungen zwischen den einzelnen Befristungen zu raten, da solche gegen die Annahme von „aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen“ oder „Befristungsketten“ sprechen können. So hat das LAG Berlin-Brandenburg in einer Entscheidung ebenfalls vom 4.02.2015 die Beschäftigung auf Basis von zehn befristeten Verträgen im Zeitraum von drei Jahren und sieben Monaten bei drei Unterbrechungen im Umfang von insgesamt acht Monaten nicht als rechtsmissbräuchliche Kettenbefristung angesehen. Ferner sollten Arbeitnehmer bei aufeinanderfolgenden Befristungen möglichst nicht auf demselben Arbeitsplatz mit denselben Aufgaben beschäftigt werden, um das Risiko der Annahme eines dauerhaften Beschäftigungsbedarfs zu minimieren.