BAG, Urteil v. 10.12.2014 – 7 AZR 1002/12 –
Eine in einem Tarifvertrag geregelte auflösende Bedingung, wonach das Arbeitsverhältnis bei Gewährung einer Erwerbsminderungsrente auf unbestimmte Dauer wegen voller Erwerbsminderung endet, bewirkt keine Benachteiligung wegen einer Behinderung des Arbeitnehmers.
Die Entscheidung
Die klagende Arbeitnehmerin war bei dem Beklagten im Pflegedienst beschäftigt. Nach § 33 II TVöD, der auf das Arbeitsverhältnis kraft vertraglicher Inbezugnahme Anwendung fand, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem dem Beschäftigten ein unbefristeter Rentenbescheid wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung zugestellt wird. Die langzeiterkrankte Klägerin erhielt seitens des zuständigen Rentenversicherungsträgers eine Erwerbsminderungsrente wegen voller Erwerbsminderung, die zunächst befristet und ab dem 01.05.2011 dann auf unbestimmte Dauer gewährt wurde. Die Möglichkeit der Überprüfung der Rentenberechtigung zu einem späteren Zeitpunkt behielt sich der Rentenversicherungsträger ausdrücklich vor. Der Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit, dass das Arbeitsverhältnis wegen des Bezugs einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer gem. § 33 II TVöD zum 30.04.2011 ende. Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses über den 30.04.2011 hinaus. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab.
Die hiergegen gerichtete Klage der Arbeitnehmerin hatte – wie auch in den Vorinstanzen – vor dem BAG keinen Erfolg. Die Erfurter Richter bestätigten die Beendigung des Arbeitsverhältnisses kraft Bedingungseintritts. Der im Tarifvertrag enthaltene Beendigungstatbestand sei durch einen sonstigen Sachgrund i.S.v. § 14 I 1 TzBfG gerechtfertigt. Kann der Arbeitnehmer voraussichtlich seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen und ist er gleichzeitig durch einen voraussichtlich dauerhaften Rentenbezug abgesichert, ist nach Auffassung des BAG die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund Bedingungseintritts sachlich gerechtfertigt. Die auflösende Bedingung diene einerseits dem Schutz des Arbeitnehmers, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zur Arbeitsverrichtung in der Lage ist; andererseits trage sie dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers Rechnung, sich von Arbeitnehmern trennen zu können, die gesundheitsbedingt zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung nicht mehr in der Lage sind. Schließlich spreche auch eine im Rentenbescheid vorbehaltene Möglichkeit der späteren Überprüfung der Rentenberechtigung nicht gegen eine hinreichende rentenrechtliche Absicherung des Arbeitnehmers. Das BAG sah in der tarifvertraglichen Regelung auch keinen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 I AGG. Diese bewirke weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung wegen einer Behinderung. Die Vorschrift sei zudem sachlich gerechtfertigt, weil sie das legitime Ziel verfolge, ein „sinnentleertes“ Arbeitsverhältnis zu beenden.
Bedeutung für die Praxis
Mit dieser erfreulich praxisnahen Entscheidung stellt das BAG klar, dass eine tarifvertragliche Befristung des Arbeitsverhältnisses auf den Zeitpunkt eines dauerhaften Rentenbezugs wegen voller Erwerbsminderung sachlich gerechtfertigt ist und keine Benachteiligung wegen einer Behinderung bewirkt. Auch wenn die Entscheidung eine tarifvertragliche Vorschrift betrifft, sind die Grundsätze auf entsprechende arbeitsvertragliche Klauseln übertragbar. Arbeitgebern ist daher die Aufnahme einer entsprechenden Befristung in den Arbeitsvertrag anzuraten, um in einem solchen Fall ein Arbeitsverhältnis ohne Kündigung – und ohne Zustimmung des Integrationsamtes nach § 92 SGB IX – beenden zu können. Denn das Ausscheiden eines Arbeitnehmers aufgrund des Eintritts voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer ist nicht zustimmungsbedürftig, wie das BAG in der vorliegenden Entscheidung betonte. Zu beachten ist jedoch, dass die Wirksamkeit einer solchen Befristung die Anknüpfung an einen dauerhaften Rentenbezug voraussetzt. Eine Regelung, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses schon bei Bezug einer befristen Erwerbsminderungsrente vorsieht, ist unwirksam.